von Carl Merz und Helmut Qualtinger
wurde am 15. November 1961 im österreichischen Fernsehen in der Inszenierung von Erich Neuberg uraufgeführt.
Qualtinger, bis dahin ein Kabarettstar, der zum Wiener Selbstverständnis schon Figuren wie den G’schupften Ferdl, den Wilden mit seiner Maschin und den Travnicek beigetragen hatte, wurde zum Herrn Karl – und sollte ihn nicht mehr loswerden.
Die Ideen zur Figur des „Herrn Karl“ lieferten Aussprüche des „Herrn Max“ vom Delikatessenladen „Top“, von Hannes Hofmann, Besitzer des „Gutruf“ und Aussprüche eines gewissen „Herrn Jerschabeck“, Friseur im Ruhestand und Stammgast im Café „Falstaff“. Auch das Bühnenbild des „Herrn Karl“ hat reale Vorbilder: Die Delikatessenläden „Top“ und „Gutruf“ verfügten beide über Lagerräume, die über Wendeltreppen zu erreichen waren.
Als der Kabarettist Nikolaus Haenel, nach dreimonatiger Arbeit als Geschäftsdiener im „Top“ seinen Nachfolger, den „Herrn Max“ einschulen sollte, begann dieser dem jungen Studenten sein Leben zu erzählen. Haenel erzählte Qualtinger vom „Herrn Max“, und Qualtinger erzählte die Geschichten Carl Merz, der sich sofort ans Schreiben machte:
Im Keller einer Delikatessenhandlung wo Herr Karl als Magazineur arbeitet, erzählt er dem Zuschauer aus seinem Leben: über das Ende des Habsburgermonarchie, den Ersten Weltkrieg, über die Erste Republik und die Dollfuß-Diktatur, über Hitlers Einmarsch in Wien und die NS-Zeit sowie über die Zweite Republik. Zu allem hat er etwas zu sagen; als „Zuschauer“ war er immer dabei; aus allem hat er sich herausgehalten – wenn er tätig wurde, dann war er ein Opfer.
Die Uraufführung des „Herrn Karl“ löste unterschiedliche Reaktionen aus. Während sich die professionelle Kritik positiv bis enthusiastisch äußerte – 1962 wurden Qualtinger und Merz von den Auslandsjournalisten zu den „populärsten Österreichern des Jahres 1961“ gewählt – setzte seitens der Zuschauer ein Sturm der Entrüstung ein. Die wienerische Durchschnittstype war als gewissenloser Mitläufer bloßgestellt worden. Mit der Figur des “Herrn Karl“ hätte Qualtinger „einer ganzen Nation den Spiegel vor’s Gesicht gehalten“. Den Autoren wurden Schwarzmalerei und Verallgemeinerung vorgeworfen. Das unbarmherzig präzise Gesicht des opportunistischen Wieners ließ die erhitzten Gemüter lange nicht zur Ruhe kommen. Kaum einer wollte mit dem Bild des ewigen Mitläufers in Verbindung gebracht werden. Rein gewaschen durch den Staatsvertrag und offiziell zum Opfer stilisiert, schrie der „Herr Österreicher“ auf.
Wenige Tage nach der heftig diskutierten Fernsehsendung hatte die endgültige Textfassung des „Herrn Karl“ im „Kleinen Theater der Josefstadt“ im Konzerthaus“ am 30. November 1961 Premiere. Aufgrund des Erfolges übersiedelte das Stück im März 1962 in die Kammerspiele. 1963 kam Helmut Qualtinger nach New York, um im ausverkauften „Barbizon Plaza Theatre“ aus seinem Stück zu lesen. Der „Herr Karl“ fand Verbreitung in Buchform, auf Schallplatte, später auf Video und DVD.
Helmut Qualtinger wurde mit der Figur des „Herrn Karl“ populärer, als ihm nach vielen Jahren recht sein sollte; diese Figur bedeutete für ihn eine Hypothek, die er bis zum Lebensende nicht mehr abtragen konnte.
Aus „Raumtexte“: „Quasi ein Genie“
Wie der Herr Karl ins Heimathaus kam
Ich war auch einmal ein junger Mensch, nur damals, das ist schon lange her, da hatte ich einen Arbeitskollegen, Hans T., der kannte den Herrn Karl in- und auswendig. Hans und seine Freunde haben in ihren Jugendjahren Karl-Zitate in ihre Sprache „transferiert“ (ähnlich wie bei einem Konto, aber das kann ich Ihnen als Laien nicht erklären) und sich damit monatelang köstlichst unterhalten.
Irgendwann hat er mir davon erzählt und mich so mit Herrn Karl bekannt gemacht. Ich habe mich sofort mit ihm angefreundet und wir hatten lange Zeit intensiven Kontakt. Aber so wie das auch mit dem schönen Blick ist, der sich mit dem Alter verliert, verliert man sich auch eines Tages aus den Augen. Man hat andere Interessen, hat Wichtigeres zu tun, hat Aufgaben zu erfüllen …..
Doch eines Tages ist er mir wieder über den Weg gelaufen, mein Freund Karl, und ich habe ihn auf die alte Art meiner Familie vorgestellt. Das war ein Leichtsinn. Fangen S‘ Ihnen nie was mit einer Kultfigur an! Da sind Ideen aufgetaucht, sag ich Ihnen – mein Sohn hat gemeint, ich soll ihm nichts mehr vom Herrn Karl erzählen, ich soll ihn s p i e l e n ! Oft genug hat er das gesagt. Aber wer möchte sich das schon antun, eine Stunde Text, ohne Pause ? Ich nicht ….
Und dann qualifiziert sich Österreich für die Fußball-Europa-meisterschafts-Endrunde 2016. Von 10. Juni bis 10. Juli gibt es nur ein paar spielfreie Abende. Nicht zu denken an eine riesige Sommer-theater-Produktion. Kein Patriot kann da am Abend proben, kein Publikum möchte auf historische Fußballspiele verzichten, kein Schauspieler kann an solchen Tagen konzentriert auftreten. Also heuer kein Sommertheater???
Da hat sich Herr Karl natürlich sofort beworben, weil er gemeint hat: „Es muss doch eine Möglichkeit geben, irgendeinen Pensionisten, der tagsüber lernen und proben kann, werdet ihr doch haben!“ So, Flo, jetzt hast Du Dein Vergnügen. Und Sie, liebes Publikum, hoffentlich (!) auch, mit Ihrem Conrad Wiesenhofer.
Herr Karl: Conrad Wiesenhofer
„Junger Bursch“ als Souffleur: Jürgen Bailey
Maske: Kordula Lingler / Licht: Franz Reindl / Bühnenbild: Siegbert Zivny / Produktionsleitung: Ilse Szaal
Premiere: 04. Juli 2018